Seit jeher haben wir Menschen mehr Bäume gerodet, als gepflanzt. Daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl wir inzwischen ganz genau wissen, dass Wälder mehr können, als Platz für Weideland schaffen – unter anderem unseren CO2-Ausstoß schlucken.
Darauf basiert auch das Prinzip, dem Baumpflanzprojekte zugrunde liegen: Ein Baum nimmt CO2 auf und bindet dieses. Viele Bäume nehmen demnach viel CO2 auf und binden dieses. Der CO2-Gehalt in der Atmosphäre sinkt, die Erderwärmung wird gebremst. Bäume kompensieren so den Schaden, den wir verursacht haben. Das klingt doch zu einfach, um wahr zu sein, oder?
Machen wir Wälder zu unseren Partnern im Klimaschutz, bezeichnet man dies als «Natural Climate Solution.» Untersuchungen haben ergeben, dass die (Wieder-) Aufforstung die größte natürliche Klimaschutzmöglichkeit ist, die uns zur Verfügung steht.
Um herauszufinden, wie viel ungenutztes Wald-Potenzial (wie degradierte Flächen, Ödland, Brachfläche) uns zur Verfügung steht, werteten die Forscher der ETH Zürich in ihrer vielbeachteten Studie fast 80.000 Satellitenbilder aus, bevor sie befanden: eine ganze Menge! Insgesamt sei es eine Fläche von 900 Millionen Hektar, welche spannenderweise nicht primär in den Tropen liegt, auf die sich aktuell die meisten Aufforstungsprogramme konzentrieren. Zu den Ländern mit den größten ungenutzten Flächen gehören Russland, die USA, Kanada, Australien und China.
Die menschengemachten CO2-Emissionen in der Atmosphäre belaufen sich auf rund 300 Milliarden Tonnen. Würde man auf der gesamten verfügbaren Fläche Bäume anpflanzen, könne man, so die Studie, mehr CO2 als bislang angenommen in wiederaufgeforsteten Wäldern speichern. Insgesamt etwa 200 Milliarden Tonnen (was unsere Atmosphäre immerhin um rund 100 Milliarden Tonnen entlasten würde).
Als wäre das nicht Grund genug, sofort Bäume zu pflanzen, bieten Wälder vielen Tier- und Pflanzenarten Lebensraum. Sie sind damit unverzichtbar für ein weiteres drängendes Problem unserer Zeit: dem Erhalt der biologischen Vielfalt. Die Widerstandsfähigkeit von Ökosystemen verbessern Wälder, Wurzeln schützen Böden vor Erosionen sowie angrenzende Flächen vor Wind und Frost. Außerdem halten sie den Wasserhaushalt der Natur im Gleichgewicht und reinigen unsere Luft. Wälder haben einen kühlenden Effekt und – nicht zu unterschätzen – bieten uns Erholungsraum.
Warum nicht alle Klimaschutzorganisationen Aufforstungsprojekte fördern
Dennoch sucht man beispielsweise in dem Projektkatalog der größten deutschen Kompensationsagentur “atmosfair” Baumpflanzprojekte vergeblich. Woran liegt das? Tatsächlich ist die Idee Aufforstung mit einigen Schwierigkeiten verbunden:
Zunächst lebt ein Baum nicht ewig. Waldbrand, Schädlingsbefall, Sturm, Abholzung oder der natürliche Lebenszyklus haben zur Folge, dass das gespeicherte CO2 eines Baumes eins zu eins wieder freigesetzt wird. Die Klimaschutzwirkung verpufft.
Es kommt hinzu, dass Jahrzehnte vergehen bis ein Baum eine signifikante Klimaschutzwirkung hat – je länger ein Baum steht, je älter er wird, desto mehr CO2 speichert er. Nun sind Stürme, Brände oder Schädlingsbefall nichts, das man vorhersehen, gar planen kann. Niemand weiß sicher, wie lange ein einem Baumpflanzprojekt entsprungener Wald besteht. Aus diesem Grund werden in den meisten Baumpflanzprojekten auch stets mehr Bäume gepflanzt. Ein Baumpuffer sozusagen.
Problematisch wird es auch, wenn immer mehr Parteien um die Nutzung eines Gebiets konkurrieren. Angesichts steigender Konkurrenz um Fläche und klimawandelbedingtem Flächenverlust steigt der Landnutzungsdruck, was zu mehr und nicht weniger Rodung (ungeschützter Wälder) führen könnte.
Da wären wir auch bei einem der größten Probleme, der Abholzung. 2017 wurden 40 Fußballfelder Regenwald gerodet – pro Minute. Im Vorjahr waren es, laut Global Forest Watch, noch mehr. 29,7 Millionen Hektar Wald, so viel wie noch nie zuvor innerhalb eines Jahres. Kritiker von Aufforstungsprojekten befürchten, dass Aufforstungsflächen durch den CO2-Kompensationsgedanken einen zusätzlichen ökonomischen Wert bekommen. Das könnte dazu führen, dass mehr Wälder gerodet würden – um sie anschließend zu bepflanzen.
Rodungen haben wir übrigens auch bei uns in der EU, zum Beispiel in Rumänien. Solange die illegale Abholzung von Wäldern nicht gestoppt wird, werden sich Baumpflanzprojekte wahrscheinlich immer ein bisschen wie ein Kampf gegen Windmühlen anfühlen.
Ein weiterer Grund warum einige Klimaschutzorganisationen keine Baumpflanzprojekte fördern ist der sogenannte „Leakage Effekt“. Dieser beschreibt eine Verschiebung, durch die die gut gemeinte Maßnahme letztendlich mehr CO2 verursacht. Zum Beispiel wenn anstelle des geschützten Waldstückes ein anderes, größeres gerodet wird.
Immer wieder stehen Waldprojekte zudem wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik. Aus diesem Grund ist es vor allem bei Projekten in Entwicklungsländern wichtig, ausschließlich Anbieter mit Antworten auf soziale Fragen vor Ort zu unterstützen.
Bäume pflanzen - als Teil der Lösung
Keine Frage: Wir müssen Wälder schützen, pflegen, aufforsten. Nachhaltige, soziale Baumpflanzprojekte sind trotz aller Schwierigkeiten (und gerade wegen vieler Herausforderungen!) uneingeschränkt unterstützenswert. Wollen wir allerdings unseren aktuellen Lebensstil ausgleichen, indem wir Bäume pflanzen, machen wir es uns zu einfach.
Jedes Jahr verursachen wir 35 Milliarden Tonnen CO2. Das ist zu viel. Der Gedanke, einen Flug mit Bäumen auszugleichen, ist so verlockend wie gefährlich, denn: Aufforsten ist eine einmalige Chance die Zeit zurückzudrehen, vieles wiedergutzumachen – kein Freifahrtschein so weiterzumachen.
Besser als jeder Flug, den wir kompensieren, ist jeder Flug, den wir nicht machen. Besser als jeder Baum, den wir neu pflanzen, ist jeder Baum, den wir erhalten. Rodungen müssen stoppen, unser Verhalten muss sich ändern, unsere Emissionen müssen drastisch sinken – und dann können Wälder sinnvoller Teil der Lösung sein. Langfristig.
Dies ist der Grund, weshalb ich jedes Jahr an einem bestimmten Ort in der Schweiz selbst einige Bäume anpflanze, die in den nächsten 100 Jahren nicht abgeholzt werden.